Im Jänner 2019 startete die Ärztekammer mit der großflächigen Imagekampagne „Wiener Spitalsärzte leisten mehr“, um die Wienerinnen und Wiener über die Leistungen der Spitalsärzte zu informieren. Seitdem sind neben den bereits bekannten Problemen zu den Ruhezeiten weitere hinzugekommen, die die Arbeit der Ärztinnen und Ärzte massiv erschweren und immer weniger Zeit für die Patienten erlauben. Die neuen Sujets der aktuellen Kampagne sowie eine eigens dafür gebrandete Straßenbahn sollen auf die derzeit wieder akuten Probleme in Wiens Spitälern aufmerksam machen.
„Wir wollen mit der Kampagne dringend davor warnen, welche Gefahren auf unsere Patienten zukommen könnten“, verkündet Wolfgang Weismüller, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte der Ärztekammer für Wien, und setzt gleich nach: „Nachdem wir zu Beginn des Jahres die Stärken unseres Berufs im Fokus hatten, zeigen wir nun die Kehrseite der Medaille, nämlich, mit welchen schwierigen Arbeitsbedingungen Spitalsärzte tagtäglich zu kämpfen haben – und was das für die Patienten bedeuten kann.“ Die Sujets mit den Schwerpunkten „Sparkurs“, „Wartezeit“, „Ärztemangel“ und „Nachwuchs“ sollen mit klassischen Plakaten, Megaboards, Infoscreens, digitalen City-Lights, Inseraten in relevanten Hochglanzmagazinen sowie via Social Campaigning in Social Media verbreitet werden und entsprechende Aufmerksamkeit generieren, um die derzeit größten Probleme im Spitalswesen anzusprechen.
„Wir Spitalsärzte arbeiten derzeit am äußersten Limit und haben immer weniger Zeit für unsere Patienten“, betont Weismüller. „Das bedeutet, dass schon bald Patienten in Gefahr kommen könnten, medizinisch nicht mehr ausreichend versorgt zu werden.“ Für Weismüller liegt dieses Bedrohungsszenario für Wien „nicht mehr in weiter Ferne“.
Das Problem geht aber auch über die Wiener Landesgrenzen hinaus. Etwa ein Viertel (23,6 Prozent) aller niederösterreichischen Patienten wurden 2017 in Wien behandelt, bei den Krebspatienten waren es sogar fast die Hälfte (2017: 47,8 Prozent). Weismüller: „Die aus den umliegenden Bundesländern importierte, zusätzliche Belastung verschärft die Situation dramatisch.“
Zeit zum Gegenlenken wäre für Weismüller noch genug. Allerdings gehen die Zahlen immer weiter auseinander: „Für 200.000 Patienten mehr in den letzten zehn Jahren – das entspricht der Einwohnerzahl von Linz – haben wir in etwa 17 Prozent weniger Arztstunden zur Verfügung. Wir brauchen daher jetzt mehr Personal und Investitionen in die Wiener Gemeindespitäler“, fordert Weismüller.
„Unsere Ärztinnen und Ärzte kehren den Wiener Gemeindespitälern den Rücken zu“, stellt Weismüller fest und nennt auch die Gründe dafür: „Die Spitäler und die Arbeitsbedingungen sind einfach nicht mehr konkurrenzfähig. Eine veraltete Infrastruktur, überbordende Bürokratie sowie eine komplett fehlende Wertschätzung seitens des Arbeitgebers schrecken unsere jungen Ärztinnen und Ärzte vielfach ab.“ Immer mehr Spitalsärzte würden demnach „nicht nur Wien meiden, sondern auch Wien verlassen“.
„Bessere Arbeitsbedingungen sind essenziell, damit weitere Ärztinnen und Ärzte sowohl für das Spital, aber auch für den niedergelassenen Bereich ausgebildet werden“, erklärt Weismüller. „Man muss nämlich ganz klar sagen: Auch Hausärzte werden im Spital ausgebildet. Ohne die Spitäler geht also gar nichts.“
Lösungsansätze wären laut Weismüller ausreichend vorhanden: „Wir brauchen wettbewerbsfähige Gehälter, um national zu bestehen. Ein erster wichtiger Schritt wäre, das Grundgehalt der Spitalsärzte an die Einkommenssituation im niedergelassenen Bereich anzugleichen.“ Fachärzte im Spital verdienen je nach Fachrichtung nur einen Bruchteil dessen, was ihre Kolleginnen und Kollegen in der Niederlassung erwirtschaften.
„Gerade in Wien, das demografisch stark wächst und immer älter wird, wären eine faire Entlohnung sowie eine positive Unternehmenskultur sehr wichtig, um Spitalsärzte nicht zu verlieren, sondern – ganz im Gegenteil – sie sogar anzulocken“, schlussfolgert Weismüller. „Dazu brauchen wir aber auch attraktive Spitäler.“