„Schwarzer Peter“ jetzt bei den Patienten – Diskussionsabend im Wiener RadioKulturhaus am 20. Oktober
„Achtung: Diese Gesundheitsreform kann Ihre Gesundheit gefährden!“ Mit dieser Warnung schlägt der Österreichische Hausärzteverband (ÖHV) Alarm und bietet im Rahmen eines Diskussionsabends am 20. Oktober im Wiener RadioKulturhaus eine ganze Reihe konkreter Belege für diese Diagnose. Fazit: „Die politisch Verantwortlichen haben unser Gesundheitssystem zu einem Selbstbedienungsladen verkommen lassen. Besonders Leidtragende sind Notfallpatienten, die in den mit der Behandlung geringfügiger Erkrankungen überlasteten Ambulanzen endlos warten müssen oder gar abgewiesen werden“, betont Hausärzte-Sprecher Dr. Wolfgang Geppert.
Demontage der Hausärzte
Die dramatische Erkrankung unseres Gesundheitssystems sei eine unausweichliche Folge der langjährigen Demontage des niedergelassenen Bereiches – konträr zu den politischen Lippenbekenntnissen zu einer angeblichen Aufwertung des Hausarztes, meint der ÖHV. Statt die Praxen der niedergelassenen Allgemeinmediziner von bürokratischen Fesseln zu befreien, werde das Gegenteil betrieben. „Die Geringschätzung und Umgehung des Hausarztes hat hierzulande längst System, wie man auch an der absurden Kampagne zur Abschaffung der ärztlichen Hausapotheken erkennen kann“, so Geppert.
Die längst fällige Entlastung der Ambulanzen sei von den Reformern gleich gar nicht angegangen worden. Und bei ihrem Vorhaben, die Primärversorgung auf neue Beine zu stellen, wären die Verantwortlichen nunmehr vollends in die Sackgasse geraten.
Der Patient bleibt auf der Strecke
Beweise dafür finden sich nahezu täglich in den Ordinationen. So berichtet Hausärzte-Präsident Dr. Christian Euler von einem Rollstuhlfahrer, der vor einer Gefäßoperation erst drei verschiedene Fachärzte im niedergelassenen Bereich aufsuchen musste. Und von einem Patienten mit Verdacht auf Hautkrebs an der Schulter, der in der Ambulanz abgewiesen wurde mit den Worten „mit einer solchen Kleinigkeit möge er doch zum Facharzt gehen“.
Fälle ähnlichen Zuschnitts kennt auch ÖHV-Vize Dr. Daniel Bidner. Beispielsweise wurde eine 55-jährige Patientin in Erwartung einer Hüftgelenksprothese im Spital gleich zwei Mal dem mühsamen Vorbereitungsprozedere unterzogen, ehe man sie „aus organisatorischen Gründen“ wieder nach Hause schickte und für zwei Monate später bestellte. „Die Destruktion ist in vollem Gange“, kommentiert der Hausärzteverband Vorgänge wie diesen mit Erschütterung. „Die Gesundheitsreformer beschwören hysterisch, der Patient müsse in den Mittelpunkt aller Bemühungen, und berauschen sich an PHC-Lösungen als Ultima Ratio. Zugleich torpedieren sie selbstgefällig alle Bemühungen in hausärztlichen Praxen“, wie Dr. Bidner selbst erfahren musste.
Phantom „PHC“
Die geplanten Primärversorgungszentren, denen Politiker und Kassenfunktionäre Wunderdinge andichten, sieht der Hausärzteverband als Phantom. In gebetsmühlenartiger Wiederholung komme es zur Verheißung von längeren Öffnungszeiten in diesen Zentren. Gerade so, als käme es darauf an, nach Verlassen der Arbeitsstätte und spätem Einkauf im Supermarkt noch schnell mal einen Arztbesuch anhängen zu können. „Die politisch motiviert, aber ohne Rücksicht auf echte Patientenbedürfnisse, erfundenen PHC-Zentren konkurrenzieren die Einzelordinationen, untergraben die ärztliche Identität und führen zu einem Verlust der Patientenselbständigkeit – und das alles ohne eine entsprechende gesetzliche Basis“, ist der ÖHV überzeugt.
Zwei-Klassen-Medizin im Vormarsch
Erhebliche Versorgungsengpässe in den Spitälern, eklatante Wartezeiten und massive Verzögerungen in Diagnostik und Therapie bestätigt auch Dr. Gernot Rainer, Obmann der Ärztegewerkschaft Asklepios: „Immer mehr versucht das Spital in den niedergelassenen Bereich auszulagern, der unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen dafür aber nicht gerüstet sein kann.“ Die Folge sei ein Ausweichen in die Privatmedizin. „Wenn man auf eine lebenswichtige Computertomographie bis zu einem Monat warten muss, in einem privaten Institut diese aber um 200 Euro noch am selben Tag bekommt, entscheidet letztlich nicht der medizinische Aspekt, sondern, ob man es sich leisten kann oder nicht“, so Rainer.
„Das Gesundheitssystem ist aus den Fugen“, sind sich Hausärzteverband und Ärztegewerkschaft einig und erhalten für diesen Befund auch immer öfter Zustimmung in der Öffentlichkeit. Erst kürzlich vermerkte ein kritischer Journalist: „Die Politik ist nicht fähig, die Symptome zu behandeln, auf die es ankommt. Ein Arzt, der so agiert, würde seinen Job verlieren.“